Relevanz


Die außerordentliche Bedeutung der Constitution wegen ihrer Rolle im Krieg von 1812 steht außer Frage. Wie aber sind die Schiffe der Constitution-Klasse in die Geschichte des Kriegsschiffbaus einzuordnen? Waren die Schiffe ein Meilenstein der Entwicklung? Was war der Grund ihrer Erfolge?

In den 1740er Jahren wurde der Typ der "echten" oder "klassischen" Fregatte von den Franzosen erfunden und wurde sehr bald von allen seefahrenden Nationen übernommen. Auch die Constitution gehörte diesem Typ an, und im Prinzip blieb die Auslegung von Fregatten bis ins Zeitalter der hölzernen Dampfschiffe hinein entsprechend.

Das besondere Merkmal der "echten" Fregatte lag darin, daß sie in konstruktiver Hinsicht zwar ein Zweidecker war, aber das untere Deck sehr dicht über oder sogar unter der Wasserlinie lag. Im Gegensatz zu älteren Zweideckern wurde hier gewissermaßen die Möglichkeit vergeben, das untere Deck wenigstens teilweise zu bewaffnen. Der große Vorteil der neuen Auslegung lag aber darin, daß die neuen Schiffe weniger hochbordig waren und somit bessere See- und Segeleigenschaften besaßen als die alten Zweidecker. Das Deck, welches die Batterie trug, lag dank des diesen Eigenschaften "geopferten", stückpfortenlosen unteren Decks aber höher über dem Wasser, als es selbst bei größeren Zweideckern der Fall war. Die neuen Fregatten konnten somit auch in schwererer See von ihren Geschützen Gebrauch machen, als es Zweidecker konnten.

Seit der Einführung dieses neuen Fregattentyps wurde der Typ immer wieder vergrößert und für schwerere Kaliber ausgelegt. Während einige frühe Fregatten noch mit einer Hauptbewaffnung von 6-Pfündern auskommen mußten, erschienen sehr bald die ersten 8- bzw 9-Pfünder-Fregatten. Schon zur Zeit des Siebenjährigen Krieges wurden sie als Standardfregatten von Schiffen mit 12-Pfündern abgelöst. Im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg taten die Briten die ersten Schritte zur 18-Pfünder-Fregatte. Experimente mit noch schwereren Kalibern ließen nicht lange auf sich warten; der amerikanischen Constitution-Klasse kommt sicherlich die Ehre zu, wenn nicht die erste, so doch wohl die beste Klasse von 24-Pfünder-Fregatten gewesen zu sein, die bis zu diesem Zeitpunkt gebaut worden war; die französischen Schiffe der 1790er wie Egyptienne und Forte erwiesen sich als zu schwach gebaut, die schwedische Bellona-Klasse war im Vergleich verhältnismäßig klein und offenbar nur mit leichten 24-Pfündern bestückt.

Obwohl Joshua Humphreys' Idee zum Bau schwerer Fregatten für die US-Marine im Nachhinein als logisch und diese Fregatten insgesamt als ein fast zwangsläufiger Schritt in der Entwicklung des Typs erscheinen, blieben die drei Schiffe längere Zeit umstritten. Sie waren wegene ihrer Größe teuer in Bau und Unterhaltung, außerdem zeigte sich ihr Tiefgang gelegentlich als problematisch. Erst mit den Erfolgen im Krieg von 1812 - die Gefechte der Constitution gegen die britischen 18-Pfünder-Fregatten Java und Guerriere und sowie der United States gegen Macedonian bewies der Typ seine Daseinsberechtigung; die 18-pfündigen Standardfregatten erschienen nunmehr als deklassiert. Die moralische Wirkung der amerikanischen Erfolge war für die sieggewohnten Briten immens; sie waren gezwungen, eilige Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Während seit der Fertigstellung des letzten Schiffs der Constitution-Klasse 1800 für die US-Marine nur leichtere Fregatten gebaut worden waren, wurden erst nach den Siegen von 1812 neue 24-Pfünder-Schiffe geordert. Die beiden Schiffe der resultierenden Klasse, Guerriere und Java (nach den englischen Prisen benannt), waren dann aber auch schon die letzten 24-Pfünder-Fregatte, die für die US-Marine gebaut wurden.1 Die Schiffe der nächsten Generation wurden erneut etwas vergrößert und nun mit 32-Pfündern bewaffnet; diese Entwicklung war international sichtbar, besonders in Frankreich, welches das Konzept der schweren Fregatten im Sinne seiner spezifisch französischen Strategie bereitwillig aufgriff.

Um das weltumspannendes Empire zu bewahren, war die britische Marine mehr an einer möglichst großen Zahl von kostengünstigen Schiffen interessiert als an einer kleinen Zahl äußerst schlagkräftiger. ie Aus britischer Sicht war die Notwendigkeit, selbst kostspielige überschwere Fregatten besitzen zu müssen, weil die potentiellen Gegner über diesen Typ verfügten, überaus lästig, aber notwendig.

Die Schiffe der Constitution-Klasse lagen in ihren Dimensionen sicherlich an der Obergrenze des damals Realisierbaren. Nachfolgende Fregatten waren zwar noch etwas größer, aber es gab keine dramatischen Größensteigerungen mehr. Einige Nationen, die USA und Frankreich, verabschiedeten sich nach 1815 vom Neubau leichterer Fregatten, Großbritannien baute 18-Pfünder-Fregatten noch bis Ende der 1820er Jahre. Allerdings wurde das Fehlen leichterer Fregatten in der US Navy in gewisser Hinsicht dadurch kompensiert, daß die Marine auch besonders große Sloops bauen ließ.

Die Constitution-Klasse war sicherlich ein herausragender Entwurf, aber ebenso sicher keine Revolution des Kriegsschiffbaus. Die Klasse war die konsequente Vergrößerung des Fregattentyps und besaß mit dem durchgehenden Oberdeck ein Merkmal, dem letztlich alle Marinen folgen sollten.2 Eine Revolution war die Klasse nicht, denn sie enthielt keine strukturellen Neuerungen, die dauerhaft Eingang in den Holzschiffbau fanden. Der wesentliche Grund für den Erfolg der Schiffe lag der überlegenen Größe der ansonsten konventionell konstriuierten Schiffe.



Anmerkung

1: Eine Ausnahme war USS Macedonian 1836. Als Ersatzbau für das 1812 erbeutete britische Schiff dieses Namens, das als "Kriegstrophäe" betrachtet wurde, sollte die neue Fregatte dem Original in Größe und Aussehen ähneln, so daß der Neubau deutlich kleiner ausfiel als alle anderen zeitgenössischen US-Fregatten.

2: Die Tendenz zur Verkleinerung der Kuhl bzw. der Schaffung eines durchgehenden Oberdecks war allerdings schon länger vorhanden.

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